GELD-Magazin, Nr. 3/2025
BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre
Digitaler Kolonialismus Dachwitz/Hilbig. Verlag: C.H.Beck. 304 Seiten. ISBN: 978-3-406-82302-2
Demokratie und Gewaltengliederung Christoph Möllers. Verlag: Suhrkamp. 400 Seiten. ISBN: 978-3-518-30063-3
Tech-Großmächte. Kolonialismus war gestern – oder? Leider nein, wenn man den Ausführungen im vorliegenden Buch folgt. Der Tech-Journalist Ingo Dachwitz und der Globalisie rungsexperte Sven Hilbig beleuchten die mehr als zweifelhafte Rolle der weltweit führenden Technologie-Konzerne, die ver suchen, die Welt unter sich aufzuteilen. Die Leidtragenden sind dabei vor allem im globalen Süden beheimatet. Statt phy sisch Land einzunehmen, erobern die heutigen Kolonialherren den digitalen Raum. Statt nach Gold und Diamanten lassen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen nach Rohstoffen (zum Beispiel Kobalt oder Lithium) graben, die wir für unsere Smartphones und Elektro-Automobile benötigen. Statt Skla ven beschäftigen sie Heere von „Klickarbeitern“, die zu Niedrig löhnen in digitalen Sweatshops (Ausbeutungsbetrieben) arbei ten, um soziale Netzwerke von Porno-Schund und exzessiven Gewaltdarstellungen zu säubern oder vermeintlich Künstliche Intelligenz am Laufen zu halten. Vermeintlich deshalb, weil ChatGPT und andere KI-Tools in Wirklichkeit auf „maschi nelles Lernen“ angewiesen sind. Auch das ein irreführender Begriff, denn für die Speisung mit unzähligen Datensätzen zeichnen wiederum sogenannte „Geisterarbeiter“ verantwort lich – eben Scharen von unterbezahlten Menschen und keine seelenlosen Maschinen. Bezeichnet werden die Chat-Bots auch als „stochastische Papageie“, weil sie zwar plausibel oder gar logisch klingende Sätze bilden, jedoch nicht die Bedeutung da hinter verstehen können. Dachwitz und Hilbig ziehen den Schluss: „Der Kolonialismus von heute mag sich sauber und smart geben, doch eines ist gleichgeblieben: Er beutet Mensch und Natur aus und kümmert sich nicht um gesellschaftliche Folgen vor Ort.“
Kopfnüsse. Schon allein der Buchtitel „Demokratie und Ge waltengliederung“ geht einem nicht gerade einfach von den Lippen. Es handelt sich hierbei um keinen Polit-Krimi, son dern um eine hochkomplexe Analyse – wenn man sich auf die Lektüre einlässt, zahlt sich das aber aus. Zur Einführung star tet der Exkurs in die Politische Philosophie und Demokratiet heorie mit der Gegenüberstellung von expressiver und reprä sentativer Demokratie. Hier lernen wir zum Beispiel, dass De mokratien Gemeinschaften von Personen sind, die auf der Grundlage wechselseitiger Anerkennung operieren. Gewalten teilung oder, wie es im Buch zumeist heißt, Gewaltengliede rung ist wiederum ein Konzept, das – so Möllers – im zeitge nössischen vergleichenden Verfassungsrecht viel verwendet, oft kritisiert, aber zu selten theoretisch reflektiert wird. Ge waltengliederung gilt dabei gemeinhin als ein Prinzip, das vorhandene politische Herrschaft durch Recht formalisiert und einschränkt. So weit, so kompliziert. Und die Materie wird nicht gerade leichter, wenn es etwa heißt: „Modelle der Gewaltengliederung verbinden Elemente der Handlungsfähig keit mit solchen der Handlungshemmung in einer auf Legiti mität ausgerichteten Art und Weise.“ Vielleicht kann man es so verständlicher machen: Den klassischen rechtsstaatlichen Institutionen Legislative, Exekutive und Judikatur darf nicht zu viel Gewalt (im Sinne von Macht) auf einmal in die Hand gespielt werden. Die einzelnen Bereiche sind ineinander ver woben. Unerfreulich ist jedenfalls folgende Beobachtung Möl lers: Die Entwicklung der Institutionen in vielen Ländern, auch in den Vereinigten Staaten, bewegt sich in Richtung eines kom petitiven Autoritarismus, der das tradierte Gewaltenteilungs modell hinter sich lässt.
Credits: beigestellt
82 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 3/2025
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