GELD-Magazin, Nr. 3/2025

„In einer geopolitisch unsicheren Zeit könnte sich die EU noch mehr als verlässlicher Handelspartner positionieren.“ Elisabeth Christen, Senior Economist am WIFO

EIN KOMMENTAR VON

verunsichert zurück“, analysieren CEO Tor sten Steinbrinker und Adrian Roestel, Leiter Portfoliomanagement der Reichmuth Inte grale Vermögensverwaltung. Auch nicht be ruhigend: Die Steuersenkungen des „One Big Beautiful Bill“ (das von Trump initiierte „große, wunderschöne Gesetz“) dürften das staatliche Budgetdefizit über mehrere Jahre auf sechs bis sieben Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung heben sowie Staatsver schuldung und Zinslast mittel- und langfri stig immens ausweiten. Diese Aussichten führten dazu, dass mit Moody‘s die letzte der drei großen Ratingagenturen den Verei nigten Staaten die „AAA“-Bestnote für ihre Schulden entzog. Schlapper Dollar Welche Auswirkungen haben all diese Ent wicklungen nun auf den Greenback als weltweite Leitwährung? Dazu Wirtschafts expertin Christen vom WIFO: „Die Hegemo nie des US-Dollars kann kurzfristig nicht be endet werden, immerhin werden rund 60 Prozent der Devisenreserven in Dollar ge halten. Es gibt aber Trends, die den Green back etwas schwächen könnten. So wie der Versuch Chinas, den Yuan zu internationali sieren und gemeinsam mit Russland ein al ternatives Zahlungssystem zu SWIFT aufzu bauen.“ Auch der Euro habe Potenzial, stär ker mitzumischen, wenn sich der EU-Bin nenmarkt weiter vertieft und die Integrati on in Richtung einer Kapitalmarktunion voranschreitet. Tatsache ist jedenfalls, dass sich der Dollar gegenüber vielen Wäh rungen der Industrie- und Schwellenländer anhaltend „weich“ zeigt. Laut Jens Sønder gaard, Währungsanalyst bei der Capital Group, muss das aber noch keine nachhal tige Schwäche des Greenback bedeuten:

„Solange es keine glaubwürdige Alternative gibt, wird der Dollar seine Rolle als Reserve- und Fluchtwährung behalten, auch wenn geopolitische Risiken und politische Unwäg barkeiten zunehmen.“ Allerdings: Stimulie rungsmaßnahmen in Europa, etwa durch geplante Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur in Deutschland, sowie erste fiskalische Lockerungen in China, könnten mittelfristig das Gleichgewicht verschieben. „Wir beobachten hier interessante Dyna miken, die bei entsprechender Umsetzung durchaus das Potenzial hätten, den Dollar auf längere Sicht zu schwächen“, erklärt Søndergaard. Sein Fazit lautet: Auch wenn sich die Dominanz des Dollars auf dem Prüfstand befinde, sei ein abrupter Macht wechsel an der Währungsspitze nicht zu er warten. Die Macht bröckelt Fassen wir zusammen: Die USA haben durch Trump 2.0 an Stärke eingebüßt. Das betrifft vor allem „Soft Power“ durch die Strapazierung der diplomatischen Bezie hungen auch zu befreundeten Staaten, sie he Europa, Kanada usw. Wenn Vertrauen als Währung gelten darf, haben die Vereini gten Staaten einen Sturzflug erlitten. Aber auch die ökonomische Macht schwindet: Laut Zahlen von Statista machte die US Wirtschaft in den 1980er Jahren rund 22 Prozent des globalen BIP aus, heute sind es knapp 15 Prozent – Tendenz weiter fallend. Daran ist natürlich nicht Donald Trump schuld, sondern die langfristige Emanzipati on der Emerging Markets mit China als Speerspitze. Trump will dem entgegensteu ern, ob seine Politik des zerbrochenen Por zellans dabei der richtige Weg ist, muss be zweifelt werden.

Harald Kolerus, leitender Redakteur, GELD-Magazin

The Clash

Studierende der Politikwissenschaften kamen in den 1990er Jahren an zwei Pflichtlektüren nicht vorbei. Erstens: „Das Ende der Geschichte“ von Francis Fukuyama. Im Taumel des Mauerfalls prognostizierte der US-Politologe, dass sich die Demokratie westlicher Prägung und die liberale Marktwirtschaft bis in alle Ewigkeit fortentwickeln würden. Noch kürzere Zusammenfassung: Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Fehlurteil. Keine Panik Zweitens: In „Kampf der Kulturen“ pro phezeit Samuel P. Huntington, dass nach dem Kalten Krieg kulturelle und religi öse Unterschiede die Hauptkonfliktli nien der Weltpolitik prägen würden. Die Menschheit sei in Kulturkreise geteilt - etwa westlich, islamisch, chinesisch, de ren Werte unvereinbar seien. Der „Clash of Civilizations“, so der Originaltitel, sei vorprogrammiert. Diese Argumentation hat sich teilweise bewahrheitet, doch von einem Zusammenstoß zwischen den USA und Europa, also ähnlichen Kul turen, war nichts zu lesen. Genau in die sem „Clash“ befinden wir uns heute, was tun? Bleiben wir bibliophil, die Kernaus sage von „Per Anhalter durch die Gala xis“ von Douglas Adams lautet: „Don´t panic“. Vielleicht löst sich der Spuk na mens Trump an Selbstzerfleischung von selbst auf. Hoffen darf man ja. h.kolerus@geld-magazin.at

Ausgabe Nr. 3/2025 – GELD-MAGAZIN . 9

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